Appel à contribution – Körper und Geistlichkeit im Mittelalter: Zwischen Konvention und Unkonventionalität?

Im Zentrum der Tagung sollen einerseits körperbezogene Konventionen der Geistlichkeit im Mittelalter, deren Entwicklungen und mediale Vermittlung stehen, andererseits aber auch Personen und Gruppierungen, die eben gegen jene Konventionen verstießen. Hierbei wäre zu klären, ob diese „Unkonventionalität“ innovativ war oder ob sie ihrerseits auf (vermeintliche) andersartige Konventionen zurückgriff, und ob diese „unkonventionellen“ Körperpraktiken ihrerseits (neue/eigene) Konventionen prägten.

Der im Dezember 2023 gegründete Arbeitskreis möchte sich damit einem bislang wenig beachteten, aber für das Verständnis der mittelalterlichen Welt zentralen Forschungsfeld widmen. Als typisch für die Epoche gelten die Machtstellung und der besondere gesellschaftliche Einfluss und Status geistlicher Akteure; diese Stellung wurde, ebenfalls epochentypisch, vielfach visuell und rituell mittels des Körpers kommuniziert. Obgleich körperbezogene Praktiken im Mittelalter für den weltlichen Bereich intensiv erforscht worden sind, was zur Identifizierung verschiedenster Rituale, sozialer Spielregeln o.Ä. geführt hat, sind Körperpraktiken und -konzepte der Geistlichkeit sowie ihre mediale Vermittlung bisher nur punktuell und in Bezug auf einzelne Akteursgruppen (vor allem Päpste und Bischöfe) untersucht worden.

Eine Analyse dieser Körperpraktiken und -konzepte kann dazu beitragen, einen überaus wichtigen Faktor für die Standesidentität und gesellschaftliche Positionierung der Geistlichkeit zu erhellen. Insbesondere drei Dimensionen – der Körper als Mittel zum Ausdruck von Tugend, als Mittel zur Erlangung und zur Repräsentation von Macht und Status – erscheinen hier relevant. Denn durch verschiedene körperbezogene Handlungen konnte man Gott nicht nur als Priester, Mönch oder Nonne näher kommen und Tugend demonstrieren, sondern gleichermaßen als politischer oder sozialer Akteur im Ansehen steigen oder fallen, an Macht gewinnen oder verlieren sowie den eigenen Status repräsentieren und legitimieren.

Der Arbeitskreis setzt sich zum Ziel, diese Körperpraktiken und -konzepte sowie ihre Vermittlung systematisch und vergleichend zu untersuchen und herauszufinden, wie diese zur Abgrenzung von den Laien, zur sozialen Differenzierung innerhalb der Geistlichkeit (wie etwa zwischen Bischof und Priester, Mönch und Nonne, Religiosen und Semireligiosen sowie generell zur Bildung von Hierarchien) und Distinktion von anderen Konfessionen und Religionen genutzt wurden. Auf diese Weise soll ein Beitrag für ein besseres, interdisziplinäres Verständnis von Geistlichkeit in der mittelalterlichen Welt geleistet werden.

Wir freuen uns über Vortragsvorschläge von promovierenden und promovierten Wissenschaftler:innen, die sich mit der Erforschung geistlicher Körperpraktiken und -konzepte sowie deren medialer Darstellung befassen und/oder den Körper als Mittel der Abgrenzung zu Laien und der sozialen Differenzierung innerhalb der Geistlichkeit (z.B. zwischen Papst und Bischof, Abt und Äbtissin) untersuchen. Dabei kann mit verschiedenen analytischen Ansätzen, wie etwa gendertheoretischen, soziologischen und struktur- und vorstellungsgeschichtlichen, gearbeitet werden. Eine anschließende Publikation ausgewählter Beiträge ist geplant; Fahrt- und Übernachtungskosten werden übernommen. Interessierte richten bitte ein kurzes Schreiben mit Angaben zu Person, institutioneller Anbindung, Forschungsinteressen sowie einem kurzen Beitragsvorschlag mit Titel und Abstract (nicht mehr als 200 Wörter) bis zum 1. Mai per E-Mail an Jan Lemmer, M.A. (jan.lemmer@uni-koeln.de).

Kontakt

Jan Lemmer, M.A.
GRK 2212: „Dynamiken der Konventionalität“
Universität zu Köln
E-Mail: jan.lemmer@uni-koeln.de

Für weitere Informationen zum Arbeitskreis richten Sie gerne auch eine E-Mail an die weiteren Gründungsmitglieder und Mitorganisator:innen:

Dr. Daniela Bianca Hoffmann
Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte
Technische Universität Dresden
DFG-Projekt (Eigene Stelle): „Heilige Mönchsbischöfe. Zu Diskursen über die Vereinbarung von Mönchtum und Bischofsamt in Heiligenviten des 11.-13. Jahrhunderts“
E-Mail: daniela.hoffmann1@tu-dresden.de

Jun.-Prof. Dr. Matthias Weber
Hochmittelalterliche Geschichte und Digitale Prosopographie
Ruhr-Universität Bochum
E-Mail: matthias.weber@rub.de

Source : H-Soz-Kult

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Réseau des médiévistes belges de langue française
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