Interdisziplinäres Symposium ç 29. – 31. März 2023 ê Brandenburg an der Havel
Deadline: 15. November, 2022
Organisatoren: Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte am Institut für Kunst çMusik çTextil – Fach Kunst, Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Paderborn, Prof. Dr. Ulrike Heinrichs und Domstift Brandenburg, Domkurator Dr. Cord-Georg Hasselmann
Projektleitung: Prof. Dr. Ulrike Heinrichs
Anlässlich des Abschlusses des kunsthistorischen DFG-Projekts (Projektnummer 346774044) „Der Wandmalereizyklus zu den Wissenschaften und Künsten in der Brandenburger Domklausur. Kunstproduktion und Wissensorganisation um 1450“ organisieren der Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte am Institut für Kunst çMusik çTextil – Fach Kunst, Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Paderborn, Prof. Dr. Ulrike Heinrichs und das Domstift Brandenburg, Domkurator Dr. Cord-Georg Hasselmann ein interdisziplinäres Symposium.
Inhaltlich orientiert sich das Symposium an der jüngst im Open Access erschienenen Buchpublikation von Ulrike Heinrichs und Martina Voigt „Die fragmentarischen Wandmalereien aus der Zeit Bischof Bodekers und Propst Peter von Klitzkes in der spätmittelalterlichen Dombibliothek in Brandenburg an der Havel und ihre Inschriften. Ein monumentaler Zyklus bestehend aus Figurenbildern, Texten und Ornamenten in zwei Bibliotheksräumen, DOI: https://doi.org/10.11588/artdok.00007730. Abstracts und weitere Informationen zu Publikationen stehen auf der Projekthomepage des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte der Universität Paderborn zur Verfügung: https://kw.uni-paderborn.de/fach-kunst/mittlere-und-neuere- kunstgeschichte/projekte/der-wandmalereizyklus.
In der Kunstgeschichte ist die Erinnerung an „die sehr schönen Bilder der sieben freien Künste und der Handwerkskünste, der Theologie und Medizin (…) der Reihe nach aufgeführt in der Brandenburgischen Bibliothek, in der Mark, außerhalb der Stadt, wo die Prämonstratenser sind“ (Hartmann Schedel, Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 418) dank eines beschreibenden Textes des 15. Jahrhunderts seit langem gegenwärtig, doch galt der Bildzyklus als verloren, bis die wertvollen Wandmalereien im sog. Oberen Kreuzgang der Brandenbrger Domklausur in den Jahren 2000/05, im Rahmen einer Etappe der Sanierung des Nordflügels, freigelegt und konserviert werden konnten. Nachdem erste Veröffentlichungen zum Neufund Verbindungen zu den Handschriften aus der Bibliothek des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel (1440-1514) und zu dem hoch gelehrten, literarisch produktiven Bischof von Brandenburg Stephan Bodeker (Amtszeit 1421–1459) herstellen konnten, war der Weg gebahnt für die Erforschung des wohl ältesten erhaltenen Beispiels einer Studienbibliothek des „modernen“, im späten Mittelalter und in der Renaissance entwickelten Bibliothekstyps mit vielfältigen Möglichkeiten der Nutzung für das Sammeln von Büchern, das Studium und die Lehre. In der Brandenburger Domklausur präsentiert er sich mit einem vollständig mit Wandmalereien ausgemalten Saal – eine monumentale Allegorie zum Kanon der Wissenschaften und Künste unter der Oberherrschaft der Theologie, die zugleich den sozialen und technischen Gegebenheiten der Artes mechanicae breiten Raum gibt, mit einer opulenten Ornamentik und Bildlichkeit sowie einem ausgedehnten, einem gelehrten Traktat ähnlichen Inschriftencorpus. Diese Chance konnte das kunsthistorische DFG-Sachmittelprojekt der Universität Paderborn ergreifen, das im Herbst 2017 im Projekttandem mit dem DFG-Sachmittelprojekt der Restaurierungswissenschaften der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim/Holzminden/Göttingen und in Kooperation mit dem Domstift Brandenburg, dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum sowie dem Dombaumeister/pmp Projekt GmbH–Architekten Brandenburg an der Havel die Arbeit aufnahm.
Das Symposium stellt im Spiegel der jüngsten Forschungsergebnisse ein neues Bild von der Thematik und Funktion der Wandmalereien wie auch von der ursprünglichen Ausdehnung und Gestalt der Brandenburger Dombibliothek des späten Mittelalters vor und entwickelt von diesem Standpunkt aus ein erweitertes Spektrum von Fragestellungen in die europäischen Kulturräume des Mittelalters und der Renaissance hinein. Wie die Forschungen des restaurierungswissenschaftlichen DFG-Projekts der HAWK unter der Leitung von Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub erwiesen haben, handelt es sich bei den in situ ansichtigen Wandmalereien um ein authentisches, wenngleich fragmentarisches Ensemble, eine hoch qualitätvolle, mehrschichtig aufgebaute Seccomalerei, hergestellt mit proteischen Bindemitteln. Stilgeschichtlichen Forschungen der Kunstgeschichte zufolge zeichnet sich der Charakter eines künstlerischen ‚Leuchtturmprojekts‘ regionaler Herkunft mit Bezügen zu einer Vielzahl von Gattungen der Malerei ab, das beispielhaft für den Übergang zwischen dem Internationalen Stil der Jahrzehnte um 1400 und der Spätgotik steht.
Die Originalhandschrift des beschreibenden Textes im Codex Clm 650 der Staatsbibliothek München, der zwischenzeitlich Hermann Schedel (1410–1483), dem älteren Vetter Hartmanns, zugeschrieben wurde, erweist sich unter dem Abgleich mit Quellen und Befunden einerseits als authentisch, andererseits als selektiv: Die erhaltenen Wandmalereien zeigen weitaus mehr und umfassen neben Ornamentmalereien von außerordentlich hoher Qualität auch Wappen, an Hand derer Probst Peter von Klitzke (Amtszeit 1425/26–ca. 1447) und Bischof Stephan Bodeker als Auftraggeber und Verantwortliche für das ehrgeizige Projekt identifiziert werden konnten. Weiter konnten epigraphisch und ikonographisch bislang unbekannte Texte und Figuren gesichert werden, die sich u.a. auf den Traktat Lignum vitae („Baum des Lebens“) von Bonaventura di Bagnoregio (1221–1274) und die heilsgeschichtliche Grundierung des Erwerbs von Wissen und Weisheit unter der Ägide der mit Prämonstratensern besetzten Brandenburger Kathedra. Unter der “Bibliothek“ am Brandenburger Dom ist nicht nur ein großer Studiensaal zu verstehen, sondern ein Bibliothekskomplex, der neuesten baugeschichtlichen Erkenntnissen zufolge durch differenzierte architektonische Umbauten an einem großen Saal im Nordflügel der Domklausur aus dem 13. bis 14. Jahrhundert hergestellt wurde. Die ausgeprägt kanonistische Position und der ‚große Wurf‘ zum aktuellen Bildungskanon mit seinen Wurzeln in der Antike und in der Scholastik berühren das Verhältnis zum Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg aus dem aufstrebenden Haus Hohenzollern wie das Selbstverständnis kirchlicher Herrschaft in den spannungsreichen Prozessen der Aushandlung von Macht nach der Beendigung des Schismas, unter den Bestrebungen der Kirchenreform und dem Druck wirtschaftlicher Konsolidierung. Nicht zuletzt beleuchten sie die Rolle des Prämonstratenserordens in der Entwicklung der kirchlichen Herrschaft wie der Kunst- und Kulturgeschichte in den mittel- und norddeutschen Räumen des Gebiets der Sächsischen Zirkarie.
Die aufgeworfenen Fragen sind vielfältig und betreffen die künstlerischen Quellen und Strategien des Umgangs mit Traditionen und Innovationen dekorativer und figürlicher Malerei und Kaligraphie wie mit den vielschichtigen Feldern der Allegorese, Performanz, Diagrammatik und Mnemotechnik in Bereichen wissenschaftlicher Literatur und monumentaler Malerei. Das mögliche Themenspektrum reicht von Fragestellungen, die das Bauwerk und seine Räumlichkeit betreffen und stilgeschichtliche, bautechnische und funktionale Aspekte beleuchten, bis hin zu Überlegungen zu etwaig integrierten oder angrenzenden Räumen der bischöflichen Verwaltung und Rechtsprechung oder zur Praxis des Lebens in und mit der Bibliothek, der Verwahrung von Büchern, der Praxis des Studiums und der Regulierung von Licht.
In der Tagung zur Sprache kommende Zukunftsperspektiven betreffen auch die nachhaltige Archivierung und innovative Nutzung von Projektdaten sowie Chancen der musealen Präsentation und Vermittlung des wertvollen Ensembles von Wandmalereien durch das Domstift Brandenburg im Rahmen des Dommuseums. Angesiedelt am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte der Universität Paderborn, unterstützt vom Wissenschaften und Künsten in der Brandenburger Domklausur“ unter Einsatz des und der Universitätsbibliothek Paderborn, wurde die Datenbank zum DFG-Sachmittelprojekt „Der Wandmalereizyklus zu den MonArch-Datenarchivierungssystems des vom DFG-Tandemprojekt mit seinen Kooperationspartner*innen entwickelt. Das projektförmige und für künftige Projekte anschlussfähige Medium zielt auf eine gebäudebasierte, interaktiv zu nutzende Archivierung der heterogenen Dokumentationen und Visualisierungen und wirft die Frage nach vergleichbaren oder alternativen Arbeitsansätzen im Feld der Erforschung von Wandmalereien und ihrem architektonischen Umfeld auf. Das museologische Segment der Tagung soll der Frage nach geeigneten Präsentationsformaten im Museum nachgehen. Schwerpunkte liegen auf der Vermittelbarkeit von hybriden Gattungen in historischen Räumen einschließlich Inschriften und mittelalterlichen Quellen sowie schwer zugänglichen Erhaltungszuständen.
Thematisch besonders willkommen, jedoch nicht auf diese beschränkt, sind Beiträge zu folgenden Fragen und Arbeitsschwerpunkten mit einem Bezug zu den Projektergebnissen, wobei jeweils sowohl regionale als auch europäische Perspektivierungen erwünscht sind:
- Die materielle Kultur, Bildausstattung und Bildlichkeit von Bibliotheken des Mittelalters und der Renaissance
- Allegorien und Narrative der Wissenschaften und Künste in Bildern und Texten
- Die Bildlichkeit der Theologie, Weisheit, Jurisprudenz und weisen Herrschaft
- Die Repräsentation von Auftraggeber*innen und Stifter*innen in Bibliotheken des Mittelalters und der Renaissance in Bildern, Inschriften oder Wappen
- Die Überlieferung zu antiken Bibliotheksbauten in Mittelalter und Renaissance
- Die Architektur und Topographie von Bibliotheken des Mittelalters und der Renaissance, unter anderem an Bischofssitzen und in Prämonstratenserstiften
- Büchersammlungen, Bildungsprogramme und Formen des Gebrauchs geistlicher Bibliotheken, unter anderem an Bischofssitzen und in Prämonstratenserstiften
- Politik, Bildung und bildende Kunst im Bistum Brandenburg und in der Sächsischen Zirkarie im späten Mittelalter
- Vergleichende Studien zur Produktion, Ästhetik und Verbreitung von Seccomalerei
- Perspektiven der Datenarchivierung: die digitale Erschließung der Wandmalerei des Mittelalters und der Renaissance als Gegenstand von Datenbanken
- Perspektiven der Museologie: Bauwerke des Mittelalters und der Renaissance mit Wandmalereizyklen und ihre Bild-Text-Corpora in der musealen Präsentation
Für die Vorträge sind jeweils 30 Minuten mit einer anschließenden Diskussion von ca. 15 Minuten vorgesehen. Ein schriftliches Exposé (ca. 400-500 Wörter zzgl. Bibliographie und Fußnoten) sowie ein kurzer Lebenslauf (max. 150 Wörter) sind bis zum 15. November 2022 zu richten an: irina.hegel@upb.de.
Rückmeldung seitens der Organisatoren erfolgt bis zum 15. Dezember 2022. Tagungssprachen: Deutsch und Englisch. Eine Publikation der Beiträge ist vorgesehen. Die Reisekosten der vortragenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden im Rahmen der geltenden Erstattungsrichtlinien (Zugfahrt 2. Klasse/ Flugticket economy, Hotelübernachtung) übernommen.
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